Der Essenstisch

Der Tisch hat eine wichtige soziale Dimension. Wir pflegen familiäres Leben am häuslichen Esstisch oder Geschäftsbeziehungen bei einem Geschäftsessen. Schon die alten Griechen nannten ihre Tischzeiten „Symposium“ und betonten damit, dass der Tisch ein Ort der verbindenden Gespräche und des Philosophierens sei. Bei Tisch geht es also nicht allein darum, seinen Magen zu füllen. Am Tisch können Menschen zusammenkommen, sich vielleicht neu begegnen. Wir sagen auch, man müsse sie nur „an einen Tisch bringen“. Hier kann also ein Ort der täglichen Gemeinschaft und des Gesprächs sein.

Foto: Shutterstock

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Was vielen Menschen heute fremd ist: Für nicht wenige Religionen ist der Tisch und die Mahlgemeinschaft ein heiliger Ort. Juden z. B. feiern das Pessachmahl oder Christen das Abendmahl in Erinnerung an Jesu letzte Tischgemeinschaft mit seinen Jüngern. Doch nicht nur solche festliche Anlässe auch die tägliche Tischgemeinschaft wurde bereits in antiker Zeit als spirituelle Handlung ausgestaltet: Handwaschungen und Gebete begleiteten das Essen und der Aufbau und Ablauf des Mahls selbst erinnerte an die sakralen Tempelmähler, bei denen Gottes Gegenwart in der Tischgemeinschaft erwartet wurde. Damit entstand eine heilige Atmosphäre bei Tisch, ein heiliger Ort inmitten der Hektik des Alltags.

In vielen Familien ist es heute noch üblich, vor dem Essen gemeinsam zu beten. Eines der ältesten Tischgebete finden wir im Jubiläenbuch, einer jüdischen Schrift aus dem 2. oder 3. vorchristlichen Jahrhundert. Darin wird Gott gelobt, „der Himmel und Erde geschaffen und alles Fett gemacht und den Menschenkindern gegeben hat, zu essen und zu trinken und ihren Schöpfer zu preisen.“ (Jub 22,6-9) Und der Psalmbeter ruft aus: „Aller Augen warten auf dich und du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit. Du öffnest deine Hand und sättigst alles, was lebt, nach deinem Gefallen.“ (Ps 145,15-16)  Im Tischgebet erinnern wir uns – heute wie damals – daran, dass Gott es ist, der uns versorgt und ernährt. Wir erhalten so einen besonderen Bezug zu Saft, Brot oder Käse auf dem Tisch – es sind Gaben Gottes.

Entdecken Sie wieder neu die gemeinschaftliche Dimension des Tisches, sei es im Kreis der Familie, der Kollegen oder der Freunde. Lassen Sie sich Zeit zum Gespräch und zum Zuhören und spüren Sie, wie die Verbindung untereinander zu Tisch wachsen kann. Gestalten Sie Ihre Tischgemeinschaft als einen heiligen Moment. Zuhause könnten Sie den Tisch decken, eine Kerze anzünden oder Blumen aufstellen und so zu einer besonderen Atmosphäre beitragen. Finden Sie Wege, Ihre Mahlzeit mit einem Gebet zu beginnen. Für manche ist es hilfreich, immer dasselbe Gebet zu sprechen. Mit Kindern und Jugendlichen könnten Sie durch einen „Tischgebets-Würfel“ für ein wenig Abwechslung sorgen oder sich bei den Händen fassen. Bei der Arbeit in der Mittagspause wäre es vielleicht eine Möglichkeit, beim Händewaschen oder am Tisch einen Moment innezuhalten und sich bewusst zu machen: Gott versorgt und gibt. Er ist jetzt an diesem Tisch gegenwärtig und schenkt uns Gemeinschaft untereinander.

sgd