Poustinia

Die Poustinia ist ein Ort der Wüste – das ist es, was das russische Wort bedeutet. Ein Ort, an dem alles zur Ruhe kommen kann, das Reden und Tun, auch das Innere. Sie ist ein Ort der Stille – wenngleich eine Poustinia nicht immer völlig leise oder einsam sein muss, ist sie doch immer ein Ort des Hörens. Hier ist ein Ort der Begegnung mit Gott, des Seins vor Gott, ein Ort des Gebets, auch des Gebets für andere. Eine Poustinia ist, wenn man so will, eine moderne Form der Einsiedelei in der Tradition der frühchristlichen Wüstenmönche.

Foto: Shutterstock

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In Russland haben sich über die Jahrhunderte Menschen in solche Poustinias zurückgezogen, manchmal für eine Weile, oder aber für den Rest ihres Lebens. Sie wurden zu Poustiniki, zu Einsiedlern, die ungewöhnlicherweise im Kontakt mit ihrem Umfeld – oft nur ein kleines Dorf oder ein paar Bauernhöfe – blieben. Sie nahmen kaum etwas mit in ihre dürftig ausgestatteten Poustinias –  neben einem Stuhl, einem Tisch, einem Holzofen, einem Kreuz, einer Ikone und manchmal einem Bett gab es keine Bücher, nur eine Bibel und etwas Brot. So waren die Poustiniki auf andere angewiesen. Sie kümmerten sich aber ebenso um die Menschen in ihrer Nähe und dienten ihnen mit Seelsorge, Gebet, Gastfreundschaft und ganz praktischer Hilfe z.B. bei der Ernte.

In den letzten Jahrzehnten haben auch im Westen viele Menschen die Poustinia für sich entdeckt. Sie erleben diesen Ort des einfachen, aber gänzlichen Da-Seins als heilsamen Kontrast zur westlichen Produktions- und Leistungsgesellschaft. Für einen Tag und eine Nacht oder auch nur eine Stunde ziehen sie sich zurück – Zeit ist in der Poustinia nicht entscheidend.

Gestalten oder finden auch Sie Ihre Poustinia für sich selbst. Dazu braucht es nicht sehr viel. In der Tradition wird nämlich betont, dass Poustinia eine Angelegenheit des Herzens ist, nicht des Umfeldes. Um innerlich zur Stille zu kommen, können Ihnen aber solche Orte helfen. Catherine Doherty gibt in ihrem Buch „Poustinia“ einige Hinweise: Sinnvoll ist eine gewisse Distanz zur Poustinia, aber schon eine Tür oder ein kurzer Fußweg genügen. Eine Poustinia für Sie könnte eine für das Gebet reservierte Zimmerecke sein, ein Zimmer, eine Kammer im Keller oder Dachgeschoss oder auch eine Hütte im Garten. Tun Sie es den russischen Vätern und Müttern gleich und nehmen Sie nichts mit hinein, außer vielleicht einer Bibel. In der Poustinia angekommen, kann Ihnen niemand vorschreiben, was oder ob Sie überhaupt etwas tun. Sie können hier schlicht die Zeit in der Gegenwart Gottes genießen, gleich ob Sie diese spüren oder nicht.

sgd