Warum Ikonen wie Fenster zum Himmel sind

Geistliche Übungen – Gegenstände

Für mich stand lange Jahre fest: Das ist nichts für mich! – Ikonen. Alles Humbug, war ich überzeugt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich meine Meinung fünfzehn Jahre später so sehr geändert haben würde. Tatsächlich haben die Ikonen die Christen entzweit, wie kaum eine andere Sache.

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Umgeben von 110 Ikonen

Ich stehe im Eingang einer koptischen Kirche, „die Hängende“ nennt man sie hier in Kairo. Schwaden von Weihrauch ziehen mir entgegen. Die kleinen Fenster werfen nur dünne Lichtstrahlen durch das Dunkel. Etwas benommen gehe ich langsam meiner ägyptischen Bekannten hinterher.

In den Seitennischen entdecke ich Ikonenbilder, auch vorne wird der Altar von einer Wand aus Ikonen verdeckt – insgesamt sind es 110 in der Kirche, so lerne ich später. Mir fällt auf, dass die Besucher sich vor den Ikonenbildern tief verbeugen, so tief, dass sie mit ihren Lippen die Rahmen berühren.

Als die Bilder brannten

Auf mich wirkt das etwas befremdlich. Und nicht nur auf mich: Zweimal in der Geschichte stürmten Christen die Kirchen, plünderten die Kirchenschätze und vernichteten Bilder und Statuen. Im 8. Jahrhundert passierte das und zur Zeit der Reformatoren. Zu sehr sah solche Hochachtung für sie aus wie eine Anbetung von ein bisschen Holz und ein wenig Farbe.

Dabei war im 2. Jahrhundert noch klar gewesen, dass die Heiligen nur deshalb verehrt werden, weil sie Christus in sich tragen. Doch schon wenig später begann man zu glauben, Gott würde Besitz ergreifen von Ikonen, Kreuzen und Reliquien. Gerüchte von wundertätigen Bildern machten die Runde. Bis zur Magie war es dann auch nicht mehr weit.

 

Zwischen „Gott ist Geist“ und „Gott ist Mensch“

Mit dementsprechend harten Bandagen wurde schon in der Antike um die Ikonen gekämpft. Bilder seien nur dazu gut, das ungebildete Volk zu belehren, nicht zum Beten, meinten die einen. Und für die anderen waren Gott und das Bild, Geistliches und Materielles, strikt getrennt. „Gott ist Geist“ riefen sie so oft in den Raum, dass sie scheinbar ganz vergaßen, dass er in Jesus bereits Mensch geworden war.

In all dem Durcheinander erinnerte Johannes von Damaskus genau daran: Gott habe sich ja bereits selbst abgebildet – deshalb könnten auch Ikonen ihr Recht haben. Sie seien Symbole und Hinweise, selbstverständlich keine Abbildungen. Viel eher seien es Fenster in den Himmel – im Leben des abgebildeten Heiligen könne Gottes Wirken entdeckt werden.

 

Wenn Gewöhnliches zu Ehrwürdigem wird

Heute werden wir wahrscheinlich seltener dem Irrtum auf den Leim gehen, Gott habe sich mystisch mit einem Bild vereinigt. Und auch wenn wir keine Bilder brauchen, um zu Gott zu kommen, sie können uns doch dabei helfen.

Heute kann ich das so sehen. Ich habe erlebt, wie Ikonen für mich zum Fensterrahmen in Gottes Herrlichkeit wurden. Eine Ikone weist mich darauf hin: Gott zeigt sich im Greifbaren und Menschlichen, er offenbart sich im Gewöhnlichen und Gewöhnliches wird so zum Ehrwürdigen.

sgd