Im Augenblick

Viele von uns kennen noch Ausrufe wie „Oh Je“, „Ach Herrje“ oder „Jemine“, wenngleich sie im Sprachgebrauch seltener geworden sein mögen. Solche Redewendungen sind Überbleibsel verschütt gegangener Stoßgebete, die sich an Jesus richten, verkürzt „Je“ genannt. Auch wenn das vielen nicht mehr bewusst ist, die alte Tradition der Stoßgebete hat sich bis in die gegenwärtige Umgangssprache hinein erhalten.

Stille neu

Im Augenblick

Bereits in der frühen Kirche haben Christen in ihrem Alltag Stoßgebete praktiziert und eingeübt. Es wurden Psalmworte rezitiert oder man rief schlicht den Namen Jesu an. Zwei biblische Stoßgebete haben besonders Einzug in die christliche Tradition gehalten: Das Zöllnergebet „Gott, sei mir Sünder gnädig“ (Lk 18,13) sowie der Ausruf des Blinden zu Jericho „Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner“ (Lk 18,35). Diese Stoßgebete zum Vorbild genommen, entstand das so genannte Jesusgebet. Im Wortlaut „Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner“ ist es zwar erst im 6. Jahrhundert literarisch greifbar, wahrscheinlich wurde das Gebet aber in dieser oder ähnlicher Weise schon sehr viel früher gesprochen. Besonders in der ostkirchlich orthodoxen Spiritualität der letzten 900 Jahre hat es schließlich seine Lehre, Einübung und Verbreitung gefunden.

Mit dem Stoßgebet des Jesusgebets möchte die ostkirchliche Tradition ein unablässiges Gott-Gedenken, ein „Beten ohne Unterlass“ (vgl. 1. Tess 5,17) verwirklichen. Der Jesuitenpater Franz Jalics meint dazu: „Der Name Jesu steht für seine Person. Wer seinen Namen wiederholt, der wird von im selbst erfüllt.“ In Jesu Namen begegnen wir also Jesus selbst. „Es ist ein schlichter Blickkontakt, in dem wir ihn mit seinem Namen ansprechen,“ so Jalics. Diese Art des Stoßgebetes muss allerdings eingeübt werden – dessen sind sich die Vertreter der Tradition des Jesusgebets einig. Es ist ein langer Prozess des Übens. Doch die Geschichte des Jesusgebetes ist voll von Menschen, die darin innige Verbundenheit zu Gott erfahren und sogar mystische Erlebnisse gemacht haben. Zur Übung empfiehlt der Benediktinermönch Emmanuel Jungclaussen mit einigen wenige Minuten am Tag zu beginnen. Von diesen festgesetzten Zeiten ausgehend wird sich das Jesusgebet dann in den Alltag ausweiten.

Stoßgebete sind eine gute Möglichkeit für Sie, um im Augenblick – mitten im Alltag – die Verbundenheit mit Gott zu suchen, den Blickkontakt zu Jesus aufzunehmen und sich von ihm füllen zu lassen. Üben Sie mit dem Jesusgebet die alte und oft vergessene Tradition der Stoßgebete wieder bewusst neu für sich ein.

sgd