Gerade wieder auf 100 beschleunigt, muss ich voll auf die Bremse. Anfang März startet die neue Seminarsaison und ich freue mich auf die Menschen, die zum Goldzirkel, zum Training für Personal Coaching und zum Waldbaden kommen.

Foto: Shutterstock

Plötzlich kommt es ganz anders als geplant

Mit drei Frauen erlebte ich eine intensive Zeit in der Bibliothek, in der sich neue Lebenshaltungen und ganz konkrete nächste Schritte entwickelten. In der Weinstube lachen wir viel und dann werden die Gespräche immer tiefer. Am nächsten Morgen um 8.45 Uhr starten wir in der Kapelle mit dem Morgengebet in den Tag. Dann erreicht uns die Nachricht der Bundesregierung, die sagt: „wir müssen schließen“. 

Entscheiden und arbeiten auf Sicht

Am Abend versuchen Rainer und ich zu verstehen, was das jetzt konkret für uns bedeutet und was zu tun ist. Am nächsten Morgen sitzen wir mit unserem Gutshofteam in der Weinstube, diesmal ist es eine Krisensitzung, wir reden über Stillstand und Kurzarbeit. Plötzlich müssen Seminare und Beratungen verschoben werden, aber wohin? Wie lange wird das ganze dauern, halten uns die Teilnehmer die Treue und was wird diese Zeit des Anhaltens mit sich bringen.

Beziehungspflege und die Suche nach dem Sinn

In den kommenden Tagen telefoniere ich, Skype, treffe mich mit Menschen über Zoom und höre viele unterschiedliche Geschichten.  Es ist eine außergewöhnliche Zeit – ohne Frage.

Per WhatsApp erreicht mich ein Video von einer Schauspielerin vom Burgtheater. Sie liest einen Brief vor, den Albert Einstein angeblich an seine Tochter Lieserl geschrieben hat. Er suchte sein ganzes Leben, nach der Kraft, die hinter allen Phänomenen des Universums steht. Der Schreiber des Briefes erkennt am Ende seiner Tage die Liebe als stärkste Kraft, denn sie ist ohne Grenzen und vermag die negativen Einflüsse zu überwinden:

  • Liebe ist Licht, da sie denjenigen, der sie gibt und empfängt, beleuchtet.
  • Liebe ist Schwerkraft, weil sie einige Leute dazu bringt, sich zu anderen hingezogen zu fühlen. 
  • Liebe ist Macht, weil sie das Beste was wir haben vermehrt und nicht zulässt,
    dass die Menschheit durch ihren blinden Egoismus ausgelöscht wird.
  • Liebe zeigt und offenbart. Durch die Liebe lebt und stirbt man.
  • Liebe ist Gott und Gott ist die Liebe
  • Diese Kraft erklärt alles und gibt dem Leben einen Sinn.

Die Frage nach der Bedeutung

Das Video berührt mich an einer Stelle, die im Alltag normalerweise eher im Hintergrund läuft. Erst will ich das Gefühl schnell wegschieben und zum nächsten Punkt auf der Agenda des Tages kommen. Dann nehme ich mir Zeit und denke über die Inhalte der letzten Gespräche nach. Was bedeutet das alles und welche Haltung möchte ich einnehmen.

Belebender Kreativität oder blindem Aktionismus

Ich beobachte eine unglaubliche Kreativität. Freunde kommen auf großartige Ideen. In kurzer Zeit entstehen Dienstleistungen im Internet und Aktionen zur Bewältigung der Krise. Nachbarn und unterschiedliche WhatsApp Gruppen sind aufmerksam, teilen Impulse, und insgesamt spüre ich eine geradezu pulsierende Kraft, wenn ich die Sänger auf den Balkonen höre. Andererseits erlebe ich einen Aktionismus, der nach weiter so nur noch schneller und besser klingt. Ja, die Krise setzt ungeahnte Kräfte frei. Wohin sollen sie gelenkt werden?

Einkehr in die Stille oder depressive Lethargie

Manche entschleunigen tatsächlich. Wie kann jetzt die freie Zeit gestaltet werden? Auch ich verbringe einen halben Tag in der Stille in unserem Schäferhaus, nachdem wir das Gröbste, was sofort notwendig war, abgearbeitet haben. Anschließend treffe ich mich mit Rainer und in erstaunlich kurzer Zeit, können wir konkret und fast übereinstimmend wichtige Entscheidungen treffen und sehen klarer und hoffnungsvoller in die Zukunft.

Einige erzählen, wie mangelnde Struktur und Motivation von außen Ängste, Sorgen, Gefühlsachterbahnen auslösen und lähmen. Es ist als ob die Zeit durch die Finger zerrinnt. Auch ich erlebe in der Nacht Wechselbäder von Wut, Ohnmacht und tiefem Frieden und Hoffnung.

Neue Möglichkeiten gewinnen aus der tieferen Quelle

Zumindest eine Bedeutung dieser einzigartigen Tage kann ich für mich ausmachen. Ich erlebe teilweise recht spontan und seelisch stärkend den Felsen in mir. Am Ende der Bergpredigt sagt Jesus: “Wer meine Worte hört und sich nach ihnen richtet, wird am Ende dastehen wie ein Mann, der überlegt, was er tut, und deshalb sein Haus auf felsigen Grund baut. Wenn dann ein Wolkenbruch niedergeht, die Flüsse über die Ufer treten und der Sturm tobt und an dem Haus rüttelt, stürzt es nicht ein, weil es auf Fels gebaut ist.

Diese Worte kommen mir oft in den Sinn. Welche Grundhaltung möchte ich einnehmen, worauf soll die Welt jetzt und nach Corona gegründet sein, wenn die Krise sinnvolle Veränderungen bewirken soll: Auf die Kraft der Liebe!


Ilona Dörr-Wälde