Anne-Marie erzählt, wie sie auf ihrem Spaziergang eine Nachbarin getroffen hat und sie mit einem Strauß Blumen, tief berührt und glücklich nach Hause gekommen ist. Anne-Marie hat etwas für sie sehr Kostbares mit uns geteilt und hat damit bei uns, den Zuhörern, ebenfalls eine erfrischende Lebendigkeit ausgelöst.

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Wertschätzung und ein Gefühl der Verbundenheit

Der ganze Raum füllt sich mit Wertschätzung und einem Gefühl der Verbundenheit. Spontan denke ich darüber nach, wie es dazu gekommen ist. Mir kommt das lateinische Wort „communicatio“ in den Sinn. Esbedeutet etwas teilen, sich mitteilen. Das ist es. Gerade habe ich gelungene Kommunikation erlebt. Doch welche Schritte sind nötig für ein erfolgreiches Teilen? Unwillkürlich spüre ich ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend. Viele Episoden ziehen an meinem inneren Auge vorbei, in denen überhaupt keine Zeit war, etwas zu fühlen oder zu teilen. Die Information führt direkt zum Handeln und wehe, wenn ich nicht schnell genug reagiere, nicht pünktlich liefere. Stimmt, es gibt eine Phase der Kommunikation, da gilt es, seinen Verantwortungsbereich auszufüllen und abzuarbeiten. Wenn um 4 Uhr der Wecker klingelt,damit ich um 10.55 Uhr in das Flugzeug steige, das mich zu dem Zielort einer geschäftlichen oder privaten Reise bringt, stehe ich auf und arbeite fast wie eine Maschine alle nötigen Schritte ab. Ich bin noch viel zu müde für erhebende Gefühle.

Vor einem Jahr sind wir mit unseren Gefährten nach Edinburgh geflogen. Anhand dieser Reise und ihrer Vorbereitung kann ich noch einmal gut nachvollziehen, welche Faktoren für eine gelingende Kommunikation wichtig sind:

1. Einen konkreten Begegnungsort finden

Bei einem unserer monatlichen Treffen sagt eine Gefährtin während des Kaffeetrinkens, dass sie sich eine gemeinsame Reise nach Iona wünscht. Das Stichwort Iona löst Erinnerungen aus und wir reden durcheinander. Nach kurzer Zeit kommt ein anderes Thema auf und erst mal ist die Idee wieder vom Tisch. Das heißt: Zunächst braucht es den Mut, sich mitzuteilen, seinen Wunsch zu teilen und sich anderen anzuvertrauen. Das ist ein Risiko. Es ist ungewiss, welche Reaktion mein Teilen auslöst. Es scheint so, als ob dieser Reisewunsch ins Leere gelaufen ist. Wir spürten kurz die verbindende Kraft der gemeinsamen Erlebnisse, aber der ausgesprochene Wunsch fand wenig Raum.

2. Zuhören und sich auf die Welt des andern einlassen

Ich habe die Worte der Gefährtin gehört und doch nicht wirklich zugehört. Innere Bilder von Iona steigen in mir auf. Ich rieche das Meer und erinnere mich an die Geschichte von Columba, aber bleibe ganz bei mir. Ein anderer erzählt von einem Film, und meine Gedanken gehen weiter.

Ich habe nicht wirklich zugehört. Erst, wenn ich tatsächlich in die Welt des andern einsteige, sozusagen meine Insel verlasse und bereit bin, seine Insel zu betreten, kann ich tatsächlich sehen und verstehen, was gemeint ist. Schnell passiert es, dass wir aneinander vorbeireden. Dann kommt nichts Neues Zustande.

Was könnte ich tun, um meine Aufmerksamkeit zu fokussieren, bis ich tatsächlich verstanden habe und ganz bei dem andern angekommen bin? Ich hätte nachfragen können. Wie ist es zu diesem Wunsch gekommen? Was erwartest du von der Reise? Warum möchtest du ausgerechnet mit uns nach Iona gehen? Überraschend geht der Prozess weiter.

3. Ideen spinnen auf Augenhöhe

Mir fällt ein Artikel über eine Gemeinschaft in Wales in die Hände und ich schicke ihn weiter an die Gefährten. Einige informieren sich näher und beim nächsten Treffen äußern schon mehr den Wunsch, gemeinsam nach Großbritannien zu reisen. Ideen und mögliche Reiseziele werden geteilt. Jeder hat so seine eigenen Vorstellungen. Jetzt gilt es, jedem Vorschlag mit Wertschätzung zuzuhören. Es scheint keinen gemeinsamen Nenner zu geben. Dann ergreift einer das Wort und sagt: Lasst uns einen Termin suchen.

4. Spontanes Handeln aus einem persönlichen Antrieb heraus

Das Abwägen und miteinander Teilen der unterschiedlichen Vorstellungen hat in jedem die Energie geweckt, sich auf dieses Abenteuer einzulassen. Jetzt folgen konkrete Schritte. Terminkalender werden gewälzt, Reiserouten per E-Mail ausgetauscht, Vetos eingelegt, Bedenken geäußert, festgestellt, dass DowntonAbby, das wir auf dem Weg besuchen wollten, zu der fraglichen Zeit geschlossen ist, neue Reiseziele gefunden und verworfen. Beinahe kippte das gemeinsame Vorhaben. Doch dann wurde es tatsächlich konkret.

5. Aufgaben übernehmen und verantworten

Urlaub nehmen, Übernachtung, Mietauto und Flug buchen und die entsprechenden Rechnungen bezahlen: Jeder übernimmt Aufgaben, handelt entschlossen und geht ein Risiko ein. Und dann geht es los. Wir sitzen im Flugzeug nach Edinburgh. Während der gemeinsamen Reise teilen wir tiefe und erfrischende, aber auch herausfordernde Erlebnisse. Dann kommt die Zeit, in der jeder seine Bereiche auch wieder loslassen muss. Zu Hause geht für jeden sein Leben weiter, das sich durch diese Reise verändert hat. Auch das Loslassen und Abschließen gehört zur gelungenen Kommunikation. Nur so kann sie in neuen Begegnungen wieder weitergehen.

Was bleibt, ist eine tiefe Verbundenheit und innere Ressourcen, die das weitere Leben bereichern und gelingen lassen. Wie das Sprichwort sagt: Geteilte Freude ist doppelte Freude. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Teilen macht lebendig und gibt Sinn. Wenn ich meine Geschichte teile, die mich ausmacht und bewegt, gewinnt sie an Bedeutung. Beglückende Energie fließt hin und her. Vielleicht ist es genau das, was erfülltes Leben ausmacht?

Deshalb möchte ich Sie ermutigen: Gönnen Sie sich Zeiten echter Kommunikation von Herz zu Herz mit Freunden, in der Familie mit der Natur, aber auch mit Kollegen und Kunden. Auch Geschichten von Prominenten und Vorbildern sind inspirierend. Geschichten aus dem Buch der Bücher sind großartige Lehrmeister in Sachen guter Kommunikation. Machen Sie sich auf den Weg zu einem erfüllten Leben.


Ilona Dörr-Wälde