Der Duft von Lagerfeuer steigt in meine Nase. An einem Spieß brate ich ein Würstchen und auf einem Tisch stehen Kartoffelsalat, selbst gebackenes Brot und Getränke. Die Hände tun ein bisschen weh, aber ich fühle mich zufrieden und glücklich.

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Wie gelingt eine gute Zusammenarbeit?

In meiner Kindheit war ich in den Herbstferien gemeinsam mit meinem Vater bei der Weinlese. Sein Freund war Winzer. Die Trauben mussten schnell und zur rechten Zeit geerntet werden. Deshalb halfen alle zusammen und schnitten den ganzen Tag Trauben von den Weinstöcken. Nach getaner Arbeit gab es Essen. Gemeinsam haben wir es geschafft.

An diese Geschichte erinnere ich mich bei dem Seminar mit Johannes Hüger zum Thema Wir-Kompetenz. Zwar habe ich schon sehr lange nicht mehr an der Weinlese teilgenommen. Doch das zufriedene Gefühl, dazuzugehören und seinen Teil beigetragen zu haben, begleitet mich bis heute.

In der Regel sind die Erinnerungen aus der Kindheit eher etwas verklärt. In der Wirklichkeit ist es oft mühsam mit der Zusammenarbeit. Viele Projekte gleichzeitig mit unterschiedlichen Menschen empfinde ich eher als anstrengend und gefühlt wird die nötige Abstimmung immer aufwendiger. Wichtige Informationen gehen unter, werden nicht weitergeleitet oder sind vieldeutig und es braucht drei E-Mails hin und her, bis klar wird, um was es geht. Ganz schnell kann es passieren, dass Wichtiges untergeht. Wir-Kompetenz – geht das und, wenn ja, wie und mit wie vielen?

Glücksgefühle beim Holzmachen

Vor ein paar Wochen überraschte mich ein unerwartetes Wir-Erlebnis. Bei einem Brunch mit Freunden erzählte ich, dass wir dringend Holz brauchen für den Kamin im Schäferhaus und im Uhrenhaus und wir keines kaufen konnten. Spontan erinnerte sich Alex an das Waldstück eines Bekannten. Dort liegt loses Holz. Der Besitzer hatte ihm angeboten, dort Holz zu holen. Ernst sagte: „Dann lass uns zusammen Holz machen.“ Bei einer weiteren Begegnung wurde klar: Das war nicht nur eine Gute-Laune-Idee. Alle waren bereit zu diesem Projekt und wir vereinbarten einen Termin.

Es ist Dienstagmorgen und ich packe meine Sachen. Feste Schuhe, Handschuhe, Regenkleidung, belegte Brote und Tee für die Pause. Um 8.00 Uhr treffen wir uns bei Alex. Der Traktor mit dem Wagen steht bereit. Die nötigen Werkzeuge werden aufgeladen und wir brechen auf zum Waldstück und machen Holz. Jeder trägt bei, was er kann. Vier Stunden später laden wir eine ganze Menge Holz am Gutshof ab.

Eine Woche später stehe ich vor dem aufgeschichteten Holzstapel an der Mauer vom Barockgarten. Auch hinter dem Schäferhaus ist wieder Kaminholz. Da ist es wieder, dieses Glücksgefühl. Ich bin einfach dankbar. On top hat Herr Köster, der uns bei der Gartenarbeit unterstützt, eine Idee für einen Holzunterstand, den er bauen wird. Viele Kompetenzen lösen das Problem. Ja, es geht.

Die Schwarmintelligenz nutzen

Im Fernsehen läuft ein Film über die Intelligenz von Staren. Beim Zuschauen entdecke ich Parallelen. Die Vögel geben wichtige Antworten auf meine oben gestellten Fragen. Mindestens vier Voraussetzung machen ihre erfolgreichen Flugkünste aus.

Als Erstes braucht es Anziehung. Immer sechs Vögel lassen sich von der Bewegung eines Vogels anziehen. Sie bilden für kurze Zeit eine kleine Gruppe. Dabei halten sie genügend Abstand. So wird keiner der Vögel in seiner Bewegung eingeschränkt. Sonst droht Verletzungsgefahr. Wenn sie sich zu nahekommen, könnte ein Flügel brechen oder die gemeinsame Dynamik ins Stocken geraten.

Die sechs Staren passen sich an den Vogel mit der Richtungskompetenz an. Sie fliegen alle im selben Tempo und ahmen genau seine Bewegungen nach. Wenn Umweltbedingungen es erfordern, lösen sie sich von ihrer Gruppe und schließen sich einem anderen Nachbarn an.

Wenn zum Beispiel ein Greifvogel in eine Ansammlung von Staren hineinfliegt, um leichte Beute zu machen, weichen sie aus. Sie ändern die Richtung, indem sie schnell neue Gruppen mit jeweils sieben Vögeln bilden, und schmeißen den Angreifer sozusagen vor die Tür.
Polare Verhaltensweisen wechseln sich ab: sich anziehen lassen und Abstand halten, anpassen und ausweichen.

Ein gemeinsames Ziel

Sicher braucht es mehr Fähigkeiten für eine gute Zusammenarbeit. Aber nur, wenn wir uns gemeinsam auf eine Absicht oder ein Ziel einlassen und bereit sind, mitzudenken und mitzugestalten, entsteht überhaupt ein Wir. Gegenseitiger Respekt minimiert die Verletzungsgefahr. Beweglich führen und geführt werden hilft, besser mit Unplanbarem umzugehen.

Diejenigen, die für die zu lösende Aufgabe Möglichkeiten und Kompetenzen haben, gehen erst mal vor. Dabei müssen Richtung und Wirkung regelmäßig reflektiert und notfalls korrigiert werden, falls Egoismen oder Fehleinschätzungen das gemeinsame Ziel gefährden.

Parolen wie „gemeinsam schaffen wir’s“ können begeistern. Werden sie leichtfertig eingefordert oder dahingesagt, können sie abstoßend sein. Auf die Grundhaltung kommt es an. Aus den Geschichten der irischen Nonnen und Mönche lerne ich geistliche Haltungen und einen Lebensstil, der zu guten Entwicklungen in der europäischen Geschichte beträgt.

Wenn Sie Interesse haben, Ihren Kompass neu auszurichten, lade ich Sie gern zu unserem neuen Seminar „Sinnes-Wandel“ ein. Die Premiere ist vom 17. bis zum 20. Juli 2023.


Ilona Dörr-Wälde