Rainer und ich sitzen am Esstisch bei Freunden. Es geht lebhaft zu. Jeder hat eine Menge zu erzählen. Wir haben uns schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.

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Eine Gefährtenschaft gründen

Ruppert war krank und hatte unerwartet Zeit. Er hat das Hörbuch „Die Gefährten“ angehört und erzählt begeistert von den Abenteuern, die diese Gefährten miteinander durchlebt haben. Dann sagt er sehnsuchtsvoll „Oft fühle ich mich in meinen beruflichen Herausforderungen allein. Ich wünsche mir Gefährten, mit denen ich gemeinsam zu einem Ziel unterwegs bin.“

Dieser Wunsch berührt mich eigenartig tief. Genau, das wünsche ich mir auch. Ich erinnere mich an Projekte, die ich in einem starken Team mit Wir-Gefühl gemeistert habe. Die Erinnerung elektrisiert mich. Innerhalb weniger Monate gründen Rainer und ich mit zwei Ehepaaren eine Gefährtenschaft.

Bewährungsproben auf dem Weg

In den letzten Monaten gewinnt dieses Thema eine neue Aktualität. In dem bunten Haufen unserer Gesellschaft haben sich Beziehungsgeflechte verschoben. Für mich ist es gar nicht so leicht, emotional Schritt zu halten mit dem Gehen und Kommen. Auch unsere Gefährten gehen sehr unterschiedlich mit dem Thema „Corona“ um. Das hat uns ganz schön herausgefordert. Dennoch denke ich gerade jetzt. Wie gut, dass ich mich mit wenigen Menschen konkret zu verbunden habe. Seit vielen Jahren erlebe ich die Entwicklung der jeweiligen Berufung mit Höhen und Tiefen bereichernd und unsere Begegnungen kostbar.

Heute in der Stille kam mir die Frage in den Sinn: Was ist für mich ein Gefährte und wie kann ich ein guter Gefährte sein? Folgende sieben Punkte finde ich wichtig:

  1. Auf dem Weg zum selben Ziel finden sich beim Gehen Weggefährten. In unserem Fall verbindet uns die Lehre Jesu über das Himmelreich. Jeder auf seine Weise versteht seine Arbeit und seinen Lebensstil als ein Beitrag gutes Leben aus der Quelle zu fördern. Wir möchten sinnstiftend Einfluss nehmen.
  2. Sie verbinden sich durch ein Versprechen. Um Enttäuschungen möglichst gering zu halten, definieren sie wesentliche Punkte ihrer Gemeinschaft. So viel wie nötig, so wenig wie möglich sollte festgelegt und gegenseitig vereinbart werden.
  3. Es braucht konkrete Zeiten und Orte der Begegnung. Gerade jetzt nach einigen Zoom-Treffen schätze ich echte Treffen sehr. Ein realistischer Zeitaufwand sollte abgestimmt werden. Miteinander Essen, Leben und Worte des Geistes teilen, beten und Abendmahl feiern.
  4. Kostbar ist eine Kultur des Vertrauens. Diese entsteht durch ehrlichen Austausch auf Augenhöhe. Das bedeutet, Schwächen gegenseitig aushalten und Stärken miteinander feiern. Erfolge ohne Neid oder Verdächtigung zu teilen tut einfach gut. Im wahrsten Sinn des Wortes ist geteilte Freude doppelte Freude und geteiltes Leid halbes Leid.
  5. Die Einzigartige Persönlichkeit und Berufung des anderen gilt es wertzuschätzen. Jeder hat seine Baustelle, für die er steht und das ist gut so. Wir haben ein gemeinsames Ziel und stehen uns mit Gebet und Rat zur Seite. Entscheidungen trifft jeder in seinem Verantwortungsbereich selbst. Man könnte es so ausdrücken: Wir bauen alle an demselben Palast und jeder steht für seinen Bauabschnitt.
  6. Oasenzeiten, in denen wir uns gegenseitig helfen das wesentliche wieder in den Blick zu bekommen. Dann geht jeder gestärkt, gesegnet und gesendet weiter auf seinem Weg.
  7. Freiheit ohne Willkür und Beliebigkeit ist entscheidend. Manchmal kommt eine Gabelung, an der sich die Wege trennen. Jetzt heißt es den Gefährten zwar mit Schmerz aber in Würde freizugeben und für seine neuen Lebensabschnitt zu segnen.

Als Begleiter Neue Motivation gewinnen

Zugegeben ertappe ich mich in den letzten Wochen ab und zu bei verwirrten Gefühlen. Während ich diese Punkte formuliere, spüre ich, wie ich selbst wieder klar werde und meine Motivation steigt. Ich möchte mit anderen Sinnfluencern verbunden, das Abenteuer eine Gefährtin zu sein, weiter erkunden. Es tut gut in der Stille die Augen aufzumachen und genau hinzuschauen.  

Vier Punkte erkenne ich, die das fruchtbare Miteinander trüben können:

  1. Enttäusche Erwartungen 
    Natürlich enttäuschen wir uns. Entscheidend ist die Reaktion darauf. Wenn ich einsehe, ich habe mich getäuscht und damit ehrlich umgehe, lassen sich die nächsten Schritte im Gespräch oft klären. Schwierig wird es, wenn ich so tue als ab. Mangelnde Ehrlichkeit führt zu Oberflächlichkeit und kühlt das Klima ab.
  2. Festgefahrene Haltungen
    Wenn ich auf meinen Einstellungen und Sichtweisen beharre entsteht mangelnde Lernbereitschaft. Echte Begegnung auf Augenhöhe wird schwieriger und in gewisser Weise wird es langweilig.
  3. Rückzug
    Das Interesse an Begegnung und Austausch nimmt ab. Ich verliere die Aufmerksamkeit für die Geschichte des Andern und es entsteht mangelnde Verfügbarkeit.
  4. Vernebeltes Ziel
    Ich verliere den Blick auf das Ziel. Wenn das Ziel im Nebel versinkt, sehe ich auch nicht mehr den Weg und die Weggefährten. Die Gefährtenschaft wird brüchig und verliert ihre Kraft.

Diese Steine stelle ich mir als Warntafeln vor mein inneres Auge, damit ich die Fallen rechtzeitig erkenne und nicht hineintappe. Ganz neu sehe ich den Wert von jeder Gefährtin und jedem Gefährten. Von ganzem Herzen bin ich dankbar für die treuen Wegbegleiter.

Wertschätzung und Rückmeldung für Weggefährten

Ich möchte Sie heute fragen: „Zu welchem Ziel sind sie unterwegs? Welche Weggefährten sind Ihnen wichtig? Vielleicht ist heute eine gute Gelegenheit, diesen Personen Ihre Wertschätzung auszudrücken.

Mich würden Ihre Erfahrungen mit Weggefährten sehr interessieren. Was ist für Sie entscheidend zu diesem Thema. Über eine kurze Rückmeldung würde ich mich sehr freuen.


Ilona Dörr-Wälde