Ich sitze vor dem Bildschirm in meinem Büro und verfolge einen Vortrag. Rainer und ich nehmen an einer Onlinekonferenz teil. Es geht um die aktuellen Veränderungen und die Herausforderungen in der neuen VUCA Welt. Wichtige Fähigkeiten für die Zukunft werden vorgestellt.

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Eine mehrdeutige und unsichere Welt

Spätestens bei diesem Vortrag fühle ich mich sehr persönlich angesprochen. Ein Teil in mir stellt sich nach all dem Gehörten die Frage: Wie zukunftsfähig bin ich eigentlich? Der Referent Arndt Pechstein spricht von der VUCA-Welt als einer neuen Epoche, die in der wirtschaftlichen und sozialen Welt angebrochen ist.

VUCA bedeutet kurzlebig (volatile), unsicher (uncertain), komplex (complex) und mehrdeutig (ambiguous). In dieser neuen Welt kann es schon sein, dass wir morgens mit einem unsicheren Gefühl aufwachen und ständig neuen Herausforderungen begegnen. Ohne Zweifel deckt sich diese Beschreibung auch mit meinen eigenen Erfahrungen.

Vielleicht geht es Ihnen manchmal auch so. Pechstein behauptet, die Kollision der physischen mit der digitalen Welt beeinflusst alle Dimensionen in Gesellschaft, Wirtschaft und Individuum. Was brauchen wir eigentlich, um uns in dieser neuen Welt zu Hause zu fühlen? Wir müssen uns für eine Haltung entscheiden, die wir zu dieser Epoche einnehmen.

Vor meinem inneren Auge sehe ich einen Film ablaufen. Was passiert, wenn ich an Gewohntem festhalten will? Wenn ich einfach so tue, als ob das, was da gerade passiert, nur ein paar „Verrückte“ betrifft, ansonsten aber alles beim Alten bleibt? Mir kommt das Zitat von Kaiser Wilhelm II. in den Sinn: „Das Auto ist eine vorübergehende Erscheinung. Ich glaube an das Pferd.“ Auch große Persönlichkeiten haben die weitreichenden Veränderungen einer Erfindung falsch eingeschätzt. Mir scheint, ignorieren ist keine gute Zukunftsstrategie.

Was ist mit der Überforderung?

Wenn ich der Angst vor Überforderung folge, werde ich vermutlich allem, was ich nicht kontrollieren kann, feindlich begegnen. Ich ziehe Grenzen, damit ich mich nicht hilflos fühle. Ich schotte mich ab vor der VUCA-Welt und kämpfe um meine Wohlfühlzone. Doch diese Strategie kostet sehr viel Energie und hat wenig Aussicht auf Erfolg. Gleichzeitig muss ich darauf achten, dass ich nicht jedem neuen Trend hinterherrenne, weil mich das auch nicht zum Ziel führt.

Veränderung geschieht. Auch ich konnte unsere Gutshof-Welt nicht festhalten, die wir in den ersten fünf Jahren aufgebaut hatten. Ich starte zu einer gedanklichen Übung: Wie wäre es, wenn ich diese neue Welt positiv begrüße und ihr mit einer Haltung der Neugier begegne? Wenn ich mich auf diesen Wandel einlasse, kann ich jeden Tag Neues entdecken und dazulernen.

Ich liebe es, etwas Neues zu gestalten – das löst in mir Freude aus. Diese Haltung der Neugier und des Mitgestaltens scheint mich tatsächlich zukunftstauglich zu machen.

In dieser Haltung kann ich auch eingestehen, wenn ich überfordert bin und manches nicht im Griff habe. Loslassen und verändern bekommt Sinn, wenn es zu etwas Neuem und Besseren führt.

Was gibt mir Sicherheit?

Arndt Pechstein hat die VUCA-Formel neu definiert. Er sagt, Menschen, Organisationen und Gesellschaften sehnen sich nach einem Anker, der ihnen Sicherheit gibt. Er stellt dem Kurzlebigen eine gemeinsame Vision gegenüber, die diesen Rahmen bietet. Eine solche Vision sollte positiv sein und ausgerichtet auf eine sinnvolle Veränderung. Eine gemeinsame Absicht für die Zukunft bringt also die nötige Stabilität in allen Veränderungen.

Seine zweite These ist: Der Unsicherheit kann begegnet werden, indem Menschen zum Handeln befähigt werden. Wenn sich viele aktiv beteiligen und lernbereit sind, können die nötigen Lösungen gefunden werden. Das braucht eine Umgebung, die von Vertrauen und Augenhöhe geprägt ist. Eigenschaften wie Empathie, systemisches Denken, Führungskompetenz und Resilienz sind wesentliche Lernfächer, um zukunftstauglich zu werden.

Der Komplexität stellt er den Begriff Kollaboration gegenüber. Es gibt immer mehr Handlungsmöglichkeiten. Einfache Ursache-Wirkung-Beziehungen werden seltener. Widersprüchliche Interessen und Zwickmühlen nehmen zu. Deshalb brauchen wir die Zusammenarbeit von vielen Akteuren.

Er vergleicht dieses Vorgehen mit der menschlichen Zelle, die mit vielen Sensoren ausgestattet ist. Diese nehmen Informationen an verschiedenen Stellen auf und leiten diese zur Verarbeitung in das Zellsystem weiter. Relevantes Wissen zu erkennen und mit Gefährten zu teilen scheint ebenfalls eine wichtige Zukunftsfähigkeit zu sein.

Der Mehrdeutigkeit von Informationen, der sogenannten Ambiguity, stellt er Agility gegenüber. Damit meint er die Fähigkeit, sich schnell auf Neues einzulassen und angemessen zu reagieren, auch wenn man nicht alle Informationen haben kann. Es erfordert auch ein kritisches Prüfen, welche bisherigen Gewohnheiten bewahrt werden sollen und welche nicht zielführend sind.

Mein Bild für die Zukunft

Seit Langem leitet mich ein Bild für die Zukunft. Der Apostel Johannes hat eine Vision gesehen und diese bereits im ersten Jahrhundert nach Christi Geburt aufgeschrieben. Das himmlische Jerusalem. Eine Stadt, unglaublich kunstvoll und schön im Einklang mit einer blühenden und fruchtbaren Natur. Menschen aus allen Nationen, die miteinander leben und gestalten ohne Schmerz, Geschrei und Tod. Dieses Bild gibt mir tatsächlich berechtigte Hoffnung für die Zukunft.

Auch der Gedanke, täglich dazuzulernen, beflügelt mich. Ich spüre tatsächlich Freude, in dieser neuen Etappe mitzugestalten. Gleichzeitig habe ich mehr Fragen als Antworten, wie es gelingt, Informationen sinnvoll zu teilen. Manchmal fühle ich mich wie in einem Film, der zu schnell läuft, und alles rauscht an mir vorbei. Bekomme ich das mit, was heute relevant ist, und gebe ich es an die passenden Stellen weiter, an denen es benötigt wird?

Mit den berühmten Bauchentscheidungen habe ich so meine Erfahrungen. Deshalb möchte ich weiter trainieren, auf die „heilige“ innere Stimme zu hören, um ein gesundes Maß an Schnelligkeit zu finden. Heute beantworte ich die Frage nach meiner Zukunftstauglichkeit mit einem „Ja – mit Gottes Hilfe!“. Wie beantworten Sie für sich die Frage?

Mein Traum ist, dass die Gutshof Akademie einen Beitrag leistet, sinnvoll Zukunft zu gestalten. Ich bin überzeugt: Gemeinsam werden wir an den Herausforderungen wachsen.


Ilona Dörr-Wälde